Sicht von oben auf eine Mehrpesonenschreibtisch

Geteilte Schreibtische

Desksharing am Arbeitsplatz

Desksharing ist auf dem Vormarsch. Immer mehr Unternehmen reduzieren ihre Büroflächen und damit die Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze. Was bedeutet das für die Beschäftigten?

Text: Anne-Katrin Wehrmann
Foto: Kay Michalak
1. Juli 2023

Auch wenn die Pflicht zum Homeoffice längst Vergangenheit ist: Viele Beschäftigte arbeiten nach wie vor zumindest tageweise von zu Hause aus. Dass in den jeweiligen Betrieben nun nicht mehr jeden Tag alle Büroarbeitsplätze benötigt werden, nehmen immer mehr Unternehmen zum Anlass, Raum und damit Kosten zu sparen. Desksharing ­lautet der Fachbegriff dafür, wenn es weniger Schreibtische als Beschäftigte gibt. „Wie viele Aspekte der Flexibilisierung in der Arbeitswelt ist auch das Desksharing ein zweischneidiges Schwert“, sagt Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisations­psychologie an der Universität Leipzig. Keinen festen Arbeitsplatz zu haben und dadurch in Kontakt zu unterschied­lichen Kolleginnen und Kollegen zu kommen, könne durchaus auch Vorteile haben – zum Beispiel den Austausch und die Kreativität fördern. Aus arbeits­psychologischer Sicht gebe es aber auch Risiken zu bedenken: „Die Identifikation mit dem Arbeitsplatz leidet, weil es Desk­sharing in der Regel erschwert, den Schreibtisch mit persönlichen Gegenständen zu bestücken. Und das kann Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit haben.“

„Für eine gute Umsetzung braucht es eine gute Führung und gut gestaltete Meetings.“
Hannes Zacher, Arbeitspsychologe

Die Forschung zeige, dass mit dem Trend zur Flexibilisierung der Arbeitswelt auch ein Anstieg stressbedingter Krankheiten einhergehe. „Aus psychologischer Sicht ist es wichtig, Routinen entwickeln zu können und eine gewisse Kontinuität und feste Ansprechpartner zu haben“, berichtet Zacher. „Das ist beim Desksharing schwierig auszubalancieren.“ Unmöglich sei es zwar nicht, ein solches Konzept ohne negative Folge­erscheinungen einzuführen. Es müsse aber gut ge­­managt werden. „Für eine gute Umsetzung braucht es eine gute Führung und gut gestaltete Meetings“, macht der Arbeits­psychologe deutlich. „Austausch und gegenseitige Unter­stützung müssen gewährleistet sein. Und es sollten unterschiedliche Räume für unterschiedliche Aufgaben zur Verfügung stehen, also zum Beispiel große Besprechungsräume ebenso wie Einzelbüros zum konzentrierten Arbeiten.“ Darüber hinaus sei es wichtig, dass die Beschäftigten persönliche Gegenstände einschließen und aufstellen könnten.

Höhenverstellbare Tische, abschließbare Spinde, ein Buchungssystem und eine ­Hygiene­regelung waren wichtige Aspekte bei der Bremer dbh ­Logistics IT AG.

Mitbestimmungsrechte wahrnehmen

Wie lässt sich Desksharing gerecht für alle gestalten? Gibt es ein elektronisches Buchungssystem oder bekommen die­jenigen die besten Plätze, die morgens als Erste da sind? Wie geht ein Team mit Konflikten um? All das sind Fragen, die im Vorfeld geklärt werden müssen, betont Kai Huter, Referentin für Arbeitsschutz- und Gesundheitspolitik bei der Arbeitnehmerkammer. „Es muss eine Lösung gefunden werden, die für alle Beschäftigten im Betrieb passt“, erläutert sie. „Und dafür müssen die Beschäftigten frühzeitig mit eingebunden werden.“ Wichtig sei, dass der Arbeitgeber eine ausreichende Zahl von Schreibtischen vorhalte und niemand vergeblich nach einem Platz suchen müsse. „Egal, wie das Modell im Detail ausgestaltet wird“, sagt die Referentin: „Das Einrichten des Arbeitsplatzes und später dann das Aufräumen sind auf jeden Fall Bestandteil der Arbeitszeit.“

Desksharing heißt weniger Schreibtische als Beschäftigte.

Ein zentraler Punkt bei der Umsetzung von Desksharing-­Konzepten ist es, den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu beachten: Das unterstreicht Wolfgang Groß, Berater in der Abteilung Mitbestimmung und Technologieberatung bei der Arbeitnehmerkammer. „Wenn ein Arbeitgeber Desk­sharing einführen will, darf er das tun“, berichtet er. „Bei der konkreten Ausgestaltung haben die Interessenvertretungen dann allerdings Mitbestimmungsrechte, insbesondere beim Gesundheitsschutz.“ So sei darauf zu achten, dass die Arbeitsplätze flexibel an unterschiedliche Bedürfnisse angepasst und ergonomisch eingestellt werden könnten. Auch sei immer zu bedenken, dass Desksharing letztlich ein Element des mobilen Arbeitens sei: „Darum dürfen Arbeitgeber und Interessenvertretungen den Gesundheitsschutz beim mobilen Arbeiten außerhalb der Betriebsstätte nicht aus dem Blick verlieren, zum Beispiel beim Homeoffice“, macht Groß deutlich. Sein Appell: „Bei der Gestaltung gesundheitsverträg­licher Arbeitsbedingungen sollten die Interessenvertretungen auf jeden Fall ihre Mitbestimmungsrechte geltend machen und Regelungen zugunsten der Kolleginnen und Kollegen anstreben.“

Beschäftigte miteinbeziehen

Das ist bei der Bremer dbh Logistics IT AG so geschehen. Als Betriebsrat und Geschäftsführung dort vor gut zwei ­Jahren die Betriebsvereinbarung „New Work“ erstellten, fand sich darin auch eine Passage zum Thema „Shared-Desk-­Infrastruktur“ wieder. „Wir waren uns einig, dass da Dinge ge­regelt werden müssen“, berichtet der damalige Betriebsrat Rainer Ley. Die Mitarbeitenden seien von Anfang an miteinbezogen worden und hätten in Arbeitsgruppen die für sie wesentlichen Aspekte entwickelt – zum Beispiel höhenverstellbare Tische, abschließbare Spinde und die Einführung eines Buchungssystems. Außerdem wurde eine Hygiene­regelung eingeführt, laut der die Arbeitsplätze sauber und aufgeräumt zu hinterlassen sind.

„Desksharing ist letztlich ein Element des ­mobilen Arbeitens.“
Wolfgang Groß, Berater in der Abteilung Mitbestimmung und ­Technologieberatung

Von den rund 280 Beschäftigten entschied sich damals rund ein Drittel dafür, komplett im Firmenbüro zu arbeiten und dort einen festen Arbeitsplatz zu behalten. Jeweils ein ­Drittel wechselte zu 40 beziehungsweise 60 Prozent ins Home­office. „Daraus konnten wir den Bedarf ableiten und haben es jetzt so eingerichtet, dass sich rechnerisch anderthalb Mitar­beitende einen Schreibtisch teilen“, erläutert Ley. In der ­Praxis gehe das gut auf: Auch an Präsenztagen, die es in jedem Team regelmäßig zur Gewährleistung des persön­lichen Austausches gebe, fänden alle einen Platz. „Am Anfang gab es zwar auch ein paar kritische Stimmen, aber letztlich ­konnten ja alle selbst entscheiden, was ihnen im Zweifel wichtiger ist – im Homeoffice zu arbeiten oder Familien­fotos auf dem Schreibtisch aufzustellen.“ Auch der frühere Betriebsrat rät anderen Interessenvertretungen dazu, von ihren Mitbestimmungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Sein ergänzender Tipp: „Man sollte immer offen für Neues sein und den ­Dingen nicht mit Widerstand gegenübertreten. Und: sich informieren, wie es in anderen Betrieben läuft.“


Weitere Infos AKB003_IconInfo

Die Abteilung Mitbestimmung und Technologieberatung der Arbeitnehmerkammer berät Betriebs- und Personalräte auch zum Thema Desksharing

Kontakt: Wolfgang Groß, E-Mail: groß@arbeitnehmerkammer.de oder Telefon  0421.36301-951