Eine Collage aus drei Fotos, das linke hat ein rotes Kreuz, die in der Mitte und rechts ein grünes im linken unteren Bildrand. Auf dem ersten Foto ist ein Pfleger dabei, einen Patienten aus dem Bett zu ziehen. Im mittleren Foto holt er einen Lifter. Auf dem letzten Bild hebt er den Patienten mit dem Lifter aus dem Bett.

Gesund am Arbeitsplatz

Was das Betriebliche Gesundheitsmanagement für Beschäftigte tun kann

Es gibt viele Wege, die Gesundheit von Beschäftigten zu fördern. Der ganzheitliche Ansatz des Betrieblichen Gesundheitsmanagements hilft dabei, die unterschiedlichen Elemente sinnvoll miteinander zu verknüpfen.

Text: Anne-Katrin Wehrmann
Foto: Jonas Ginter
1. September 2023

Der Büroangestellte ist vom Geräuschpegel in seinem Großraumbüro so gestresst, dass er psychisch krank wird. Die Pflegerin leidet unter chronischen Rückenschmerzen, weil sie jeden Tag Menschen beim Aufstehen helfen muss und nicht die Zeit hat, zur Unterstützung einen Lifter einzusetzen. Der Kollege am Fließband entwickelt schon in jungen Jahren Haltungs­schäden, weil er einseitigen Belastungen ausgesetzt ist. In der Arbeitswelt gibt es viele Situationen, die die psychische und physische Gesundheit der Beschäftigten gefährden können – sich aber mit kleineren oder größeren Maß­nahmen entschärfen ließen. Einen ganzheitlichen Ansatz dafür ­liefert das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM). „BGM hat das Ziel, die Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze so zu gestalten, dass die Gesundheit der Mitarbeitenden er­­halten und gefördert wird“, sagt der Organisationsberater und BGM-Experte Stefan Schultz. Dabei können unterschiedliche Instrumente und Maßnahmen zum Einsatz kommen, von Stressbewältigungstrainings und Gefährdungsbeurteilungen über die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung bis hin zu Gesundheitschecks und Betriebssport.

„Die besten Maßnahmen nützen den Menschen nichts, wenn die Strukturen und Prozesse nicht gesundheitsförderlich gestaltet sind.“
BGM-Experte Stefan Schultz

Schultz ist regelmäßig in Bremer Unternehmen im Einsatz und hat die eingangs genannten Beispiele allesamt schon in der Praxis erlebt. „Meistens kommen die Betriebe nicht aus innerer Überzeugung zu mir, sondern weil sie ein konkretes Problem haben“, sagt er. „Zum Beispiel ist plötzlich die Krankenquote angestiegen oder die Mitarbeiter­fluktuation ist hoch. Aber egal, welche Maßnahmen wir dann miteinander entwickeln: Der Erfolg hängt entscheidend davon ab, dass sowohl die Unternehmensverantwortlichen als auch die Mitarbeitenden das auch wirklich wollen.“ Es sei wichtig, die Beschäftigten miteinzubeziehen und gemeinsam mit ihnen Maßnahmen zu entwickeln, die sich an ihrem tatsächlichen Bedarf orientierten und so gezielt wirkten. „Die besten Maßnahmen nützen den Menschen nichts, wenn die Strukturen und Prozesse nicht gesundheitsförderlich gestaltet sind“, meint Schultz. „Darum sollten die Verantwort­lichen in einem ganzheitlichen Rahmen neben den Beschäftigten immer auch die Strukturen mit in den Blick nehmen.“

Ein Dach für drei Säulen

Betriebliches Gesundheitsmanagement bildet das über­greifende Dach für drei Säulen, die sich mit dem Thema Gesundheit am Arbeitsplatz beschäftigen: den gesetzlich vorgeschriebenen Arbeits- und Gesundheitsschutz, das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) für Mitarbeitende nach längerer Krankheit, was ebenfalls eine Pflichtleistung für Arbeitgeber ist, sowie die freiwillige betriebliche Gesundheitsförderung (BGF). „BGM ist so etwas wie die Königs­disziplin, weil dort alle Elemente des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zusammengefasst sind“, erläutert ­Dennis Wernstedt, Berater in der Abteilung Mitbestimmung und Technologieberatung bei der Arbeitnehmerkammer. „Das ist ein guter Ansatz, denn nur so lassen sich die unterschied­lichen Elemente zusammen denken, verzahnen und letztlich auch umsetzen.“ Wer die unterschiedlichen Bereiche getrennt voneinander organisiere, verschenke Potenziale: „Wenn man zum Beispiel die Wiedereingliederung im Rahmen des BEM nicht mit der vom Arbeitsschutzgesetz vorgegebenen Gefährdungsbeurteilung verknüpft, ist die betroffene Person gegebenenfalls weiter Belastungen ausgesetzt, die nicht erhoben wurden und gegen die es keine Maßnahmen gibt.“

„Es lohnt sich, alle betrieblichen Akteure ­regelmäßig an einen Tisch zu holen und ­etablierte Strukturen immer wieder auf den ­Prüfstand zu stellen.“
Dennis Wernstedt, Berater in der Abteilung Mitbestimmung und Technologieberatung bei der Arbeitnehmerkammer

Ein gutes BGM umfasst laut Wernstedt regelmäßig und systematisch durchgeführte Gefährdungsbeurteilungen aller Belastungen, auch der psychischen. „Die Ergebnisse ­sollten dann unter Einbeziehung der Mitbestimmung zum Beispiel in einem betrieblichen Steuerkreis besprochen und be­­wertet werden“, macht er deutlich. „Daraus sind dann ent­sprechende Maßnahmen abzuleiten.“ Elemente wie Sportförderung, gesundes Essen oder Gesundheitstage im Betrieb könnten dabei absolut sinnvoll sein: „Aber nur dann, wenn der Arbeitgeber sie als Ergänzung und nicht als Ersatz für seine gesetzlichen Verpflichtungen anbietet.“ Als Positiv­beispiel für eine umfassende BGM-Strategie nennt er die bereits 2009 abgeschlossene Dienstvereinbarung zum Gesundheitsmanagement im bremischen öffentlichen Dienst, die laut Präambel das Ziel hat, „die vielschichtigen Bedingungen und Ursachen von Gesundheit positiv zu beein­flussen, um die Gesundheit zu erhalten und zu fördern“. Allerdings komme es darauf an, solche Vereinbarungen dann auch mit Leben zu füllen, betont Wernstedt: „Es lohnt sich, alle betrieblichen Akteure regelmäßig an einen Tisch zu holen und etablierte Strukturen immer wieder auf den Prüfstand zu stellen.“

Koordinierungsstelle berät und unterstützt

Für Unternehmen in Bremen und Bremerhaven, die die betriebliche Gesundheitsförderung voranbringen möchten, steht seit 2017 die BGF-Koordinierungsstelle Land ­Bremen als beratende Ansprechpartnerin zur Verfügung. Sie ist ein Gemeinschaftsangebot der gesetzlichen Krankenkassen und ihrer Verbände, die auf diesem Weg mehr Beschäftigte in deren Arbeitsumfeld mit präventiven und gesundheits­­­­fördernden Maßnahmen erreichen wollen. „Wir richten uns primär an kleine und mittelständische Unternehmen, die häufig keine eigenen BGM-Beauftragten haben“, berichtet Laura Beuke, Federführerin der regionalen BGF-Koordinierungsstelle in Bremen.

„Unter dem Strich steigern Unternehmen die ­Produktivität, Zufriedenheit und Identifikation ihrer Beschäftigten, wenn sie deren Gesundheit in den Blick nehmen und fördern.“
Laura Beuke, Federführerin der regionalen BGF-Koordinierungsstelle in Bremen

Im Rahmen einer individuellen Erstberatung würden unterschiedliche Unterstützungsangebote aufgezeigt, um Hemmschwellen abzubauen und die Betriebe ins Handeln zu bringen. „Oft können wir dann auch schon erste Handlungsempfehlungen zur Umsetzung einer nachhaltigen Gesundheitsförderung entwickeln und bei der Schaffung gesunder Arbeitsbedingungen begleiten“, sagt sie. Bei der Entwicklung von Konzepten und bei der Umsetzung konkreter Maß­nahmen stünden dann die einzelnen Krankenkassen unterstützend zur Seite. Für die Unternehmen sei das zwar mit zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden, so Beuke: „Aber unter dem Strich steigern sie die Produktivität, Zu­­friedenheit und Identifikation ihrer Beschäftigten, wenn sie deren Gesundheit in den Blick nehmen und fördern.“