Eine Frau sitzt vor mehreren Bildschirmen

„Die hohe Zahl der Gründungen stimmt zuversichtlich“

Eine neue Studie bescheinigt dem Stadtstaat viel Innovationskraft. Doch bei Forschung und Entwicklung in den Unternehmen schwächelt Bremen. Um Gründungen zu unterstützen und Fachkräfte zu halten, braucht es jetzt vor allem gute Beschäftigung.

Fragen: Jan Zier
Foto: Canva/Getty Images

30. August 2023

Herr Santner, Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hat festgestellt, dass in Bremen besonders viele Gründungen in innovationsaffinen Branchen stattfinden. Ist Bremens Wirtschaft also besonders innovativ?

Dominik Santner: Die Zahl entstammt dem Innovationsatlas für das Jahr 2023. Und es stimmt, der Bericht zeigt, dass der Anteil solcher Gründungen hier im Vergleich zu anderen Bundesländern am höchsten ist: 21 von 10.000 aktiven Unternehmen im Land Bremen sind innerhalb der letzten fünf Jahre in innovationsaffinen Branchen gegründet worden. Das klingt nicht nach viel, ist aber mehr als in jedem anderen Bundesland. Der Bundesschnitt liegt bei 17. Und auch im Großstädtevergleich ist der Wert überdurchschnittlich. Nur einige wenige Städte wie Jena, Karlsruhe oder München sind hier besser aufgestellt als Bremen. Die gute Position Bremens liegt an der spezifischen Wirtschaftsstruktur im Land. Denn einige der wichtigsten Branchen – etwa der Automobilbau, die Luft- und Raumfahrt, aber auch die IT-Dienstleistungen – gelten als innovationsaffin. Was diesen einen Indikator angeht, ist das kleinste Bundesland also gut aufgestellt. Dennoch kann man mit Blick auf die Studie leider nur sehr eingeschränkt sagen, dass die Bremer Wirtschaft besonders innovativ sei.

Warum? Die Zahl ist doch vielversprechend!

Die Gründungen sind das eine. Zur Bewertung der regionalen Innovationskraft werden in der Studie aber noch weitere Indikatoren herangezogen. Und hier zeigt sich, dass Bremen schwächelt. Obwohl viele bedeutende Branchen hier im Land als innovationsaffin gelten, sind die unternehmensinternen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung – insbesondere bei etablierten Unternehmen – ziemlich gering. Nur gut ein Prozent der Bruttowertschöpfung wird von den hiesigen Unternehmen für Forschung und Entwicklung aufgewendet. Im Bundesschnitt sind es fast zweieinhalb Prozent, beim Spitzenreiter Baden-Württemberg sogar fast fünfeinhalb.

Wieso wird in Bremer Unternehmen so wenig geforscht?

Die Großbetriebe in Bremen – sei es Mercedes oder Airbus – sind oft Niederlassungen internationaler Konzerne. Und deren Forschungs- und Entwicklungsabteilungen befinden sich oft eben nicht oder nur zu einem geringen Umfang in Bremen. Die Branchen mögen formal als innovationsaffin gelten, geforscht wird deshalb in Bremen aber noch lange nicht – oder zumindest nicht viel. Wir müssen also in eine Wirtschaftsstruktur investieren, die innovationsfreudige Unternehmen für den Standort gewinnt, die dann hier auch in Forschung und Entwicklung investieren.

Dennoch haben wir hier viele Gründungen - kleine Betriebe mit lokaler Verwurzelung, deren Innovationen vor Ort entstehen. Was bedeutet das für die Zukunft?

Die hohe Zahl der Gründungen in diesem Bereich stimmt auf jeden Fall zuversichtlich. Damit sich Bremen aber wirklich zu einem Innovationshotspot entwickelt, müssen sich junge Unternehmen zunächst am Markt behaupten. Und das heißt heute vor allem: attraktiv für Fachkräfte sein und bleiben.

Was muss geschehen, um als junges Unternehmen für Fachkräfte attraktiv zu sein?

Große, etablierte Unternehmen bieten meist gute Löhne und attraktive Arbeitsbedingungen, gerade auch in innovationsaffinen Branchen. Tarifbindung und betriebliche Mitbestimmung sind hier in der Regel etabliert und garantieren gute Arbeit. Und sie machen den Arbeitgeber attraktiv. Dennoch gibt es gerade auf der Seite von Gründerinnen und Gründern noch Vorbehalte. Hier muss eine Sensibilität geschaffen werden, dass gute Arbeit nicht nur den Arbeitnehmenden dient, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs als Ganzes entscheidend ist. Die Arbeitnehmerkammer fordert daher, dass die bestehenden Strukturen der Gründungsförderung und -beratung weiterentwickelt und junge Betriebe beschäftigungspolitisch begleitet werden. Vorbehalte gegenüber betrieblicher Mitbestimmung, Tarifbindung und generell guter Arbeit müssen abgebaut werden. Denn spätestens, wenn der Betrieb wächst, müssen alle im vertrauensvollen und geregelten Miteinander auf Augenhöhe für den wirtschaftlichen Erfolg zusammenarbeiten. Dann sind die Weichen für Bremen als wettbewerbsfähigeren und innovativen Wirtschaftsstandort gestellt.

 

 

Dr. Dominik Santner
Dr. Dominik Santner, Referent für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik der Arbeitnehmerkammer Bremen

Dr. Dominik Santner ist Referent für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen